Das West-Syndrom

Woher kommt der Name?

W.J. WEST, ein britischer Arzt, beschrieb 1841 erstmals dieses Krankheitsbild (er nannte es "Salaam-Tic"), das er bei seinem eigenen Sohn beobachtete.

Eine weitere, heute kaum noch gebräuchliche Bezeichnung ist "Propulsiv-Petit mal". Auch "BNS-Krämpfe" , die Abkürzung der für diese Erkrankung typischen "Blick-Nick-Salaam-Krämpfe", wird oft auch als Bezeichnung des Syndroms benutzt.

Welche Kinder erkranken am West-Syndrom?

Überwiegend - zu 80-90 Prozent - ist das Leiden symptomatisch ,also bedingt durch Schädigungen oder Entwicklungsstörungen des Gehirns, die in etwa der Hälfte der Fälle schon vor der Geburt erfolgten bzw. angelegt waren, weniger häufig durch Verletzungen oder Sauerstoffmangel unter der Geburt, oder Infektionen oder Verletzungen nach der Geburt, oder durch Stoffwechselerkrankungen. Doch kommen auch kryptogene oder idiopathische Erkrankungen vor in etwa 15 % der Fälle. Besonders bei letzteren ist öfter eine vermehrte familiäre Anfallsbereitschaft nachweisbar. Betroffen sind Säuglinge ab dem 3. Lebensmonat, besonders um den 5. Lebensmonat, bis ins 2. Lebenshalbjahr. Nach dem 1. Lebensjahr erkranken nur noch 5 Prozent. Knaben sind häufiger betroffen als Mädchen (Verhältnis etwa 3 zu 2).

In der Vorgeschichte der ersten Lebensmonate der Kinder finden sich vermehrt Neugeborenenkrämpfe, oft auch fokalmotorische Anfälle,  zum Teil mit Generalisation.

Was sieht man bei einem West-Syndrom?

Schon vor Beginn der Anfälle ist bei den symptomatischen Fällen (s.oben) in der Regel ein Entwicklungsrückstand der Kinder erkennbar. Die Muskelspannung des Körpers ist oft vermindert, auffällig besonders durch eine Haltungsschwäche des Kopfes. Die Kinder verlieren die Fähigkeit der Kontaktaufnahme, wie den Blickkontakt und das Lachen, und der Blick schweift oft ins Leere. Auch unnatürliches Verdrehen oder Rucken der Augäpfel (Nystagmus) kommt vor. Zeitweise sind die Kinder sehr unruhig mit fahrigen, wie automatischen Bewegungen, auch übertriebenen Verziehungen des Gesichts mit Schmatz- und Schnauzbewegungen und Gähnen, dann plötzlich wieder auffällig bewegungslos und apathisch.

Die typischen Anfälle äußern sich in 3 Formen: Bei "Blitzkrämpfen" erfolgt eine heftige mykolonische Bewegung mit blitzartigem hoch-und-nach-vorne-Stoßen von Armen und Beinen (teils in Streckhaltung, öfter aber etwas angebeugt), dabei Beugung des Kopfes und des Oberkörpers nach vorn. Bei "Nickkrämpfen" wird lediglich der Kopf ruckartig vorgebeugt. Die Blitz- und Nickkrämpfe dauern nur Bruchteile von Sekunden. Die "Salaamkrämpfe" beginnen wie die Blitzkrämpfe, verlaufen aber zeitlich gedehnter - meist über eine Sekunde - mit kurzem tonischem  Verharren in der Rumpfbeugung und einer tonischen Starre der Extremitäten, dabei gelegentlich Zusammenführen der vorgestreckten Arme über der Brust (daher die Benennung nach der ähnlichen orientalischen Grußbewegung).

Alle drei Anfallsformen können im Wachzustand wie im Schlaf und bei einem Kind auch nebeneinander oder als nicht eindeutig einzuordnende Übergangsformen vorkommen. Sie kündigen sich oft durch eine auffällige Unruhe des Kindes an und treten häufig mehrfach kurz hintereinander im Abstand von 5 bis 30 Sekunden über mehrere Minuten auf, selten auch bis 100 mal und öfter. Die Anfalls-Serien werden besonders kurz nach dem morgendlichen Erwachen beobachtet. Nach bzw. zwischen den Anfällen weinen die Kinder meistens kläglich. Die Blitz- und Salaamkrämpfe können auch seitenbetont auftreten, was eine entsprechend seitenbetonte Hirnschädigung nahe legt. Außer den typischen BNS-Krämpfen können noch andere - vor allem fokalmotorische und generalisierte  - Anfallsformen vorkommen.

Was ergeben die ärztlichen Untersuchungen beim West-Syndrom?

Bei den symptomatischen Formen der Erkrankung (s. oben) zeigen die bildgebenden Untersuchungen meist deutliche Hinweise auf Anomalien oder Defekte des Gehirns, etwa eine Erweiterung der Hirnwasserräume, narbige Verdichtungen oder Verkalkungen oder knotige Fehlbildungen des Gewebes, oder eine mangelnde Hirnfurchung oder nicht altersgemäße Hirnreifung.

Die neurologische Untersuchung ergibt meist umfangreiche - je nach zugrundeliegender Ursache unterschiedliche - normabweichende Befunde.

Die Blutuntersuchungen können vor allem abgelaufene oder akute Infektionen und Stoffwechselstörungen aufdecken.

Das EEG zeigt fast immer - in einigen Fällen nur im Schlaf - den das West-Syndrom kennzeichnenden Befund einer "Hypsarrhythmie". Dabei findet man sehr verlangsamte, nicht-rhythmische und überhöhte (hochgespannte) Wellenfolgen mit eingefügten zahlreichen, zum Teil generalisierenden hypersynchronen Potentialen wechselnder fokaler und multifokaler Ausprägung.

 

Wie wird ein West-Syndrom behandelt?

Die Behandlung sollte möglichst frühzeitig erfolgen. Die wirksamste Behandlung wird seit Jahrzehnten mit  ACTH oder Cortison durchgeführt, sie hat aber auch die größten Risiken und Nebenwirkungen. Gut wirksam, besonders bei der tuberösen Hirnsklerose als Ursache des Leidens, ist auch Vigabatrin. Außerdem werden Valproat und Sultiam sowie Clonazepam  eingesetzt. In wenigen Fällen - bei einem Vitamin-B6-Mangel als Ursache der Erkrankung - ist auch Vitamin B6 erfolgreich. Die - leider wenigen - idiopathischen Erkrankungen (s. oben) reagieren oft gut auf eine Medikation. Bei den übrigen läßt sich in den meisten Fällen keine Anfallsfreiheit erreichen.
   

Wie sind die Aussichten für eine Ausheilung des West-Syndroms und die weitere Entwicklung der Kinder?

Wie bei der Behandlung sind die Aussichten, daß die Erkrankung günstig verläuft , mit völliger Ausheilung ohne Folgeschäden, nur bei den wenigen idiopathischen/kryptogenen Fällen gut. Von den Kindern mit symptomatischer Erkrankung überleben etwa 30 Prozent nicht das 2. Lebensjahr. Ein großer Teil - etwa die Hälfte - geht über in ein Lennox-Gastaut-Syndrom, einige Fälle münden auch in andere fokale Anfallsleiden. In fast allen symptomatischen Fällen bleiben - abhängig von der ursächlich vorgegebenen Hirnfunktionsstörung - mehr oder weniger erhebliche Entwicklungsstörungen bestehen.

 

 

Ausserdem nachzulesen unter: http://anfallskind.de

 

  

 

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